Lebenszeit
von Joachim Schmid
„Wissen Sie, Herr Pfarrer, ich glaub, dass jeder Mensch seine eigene Lebensuhr hat.“
Das Bild der bemessenen Zeit begegnet mir immer wieder. In manchen Seelsorgegesprächen klingt es bedrohlich, mitunter aber auch tröstlich. Der Beter des Psalms 31,16 bekennt: „Meine Zeit, steht in deinen Händen“. Seine Lebenszeit in Gottes Händen zu wissen, stärkt Menschen in Krankheits- und Krisenzeiten.
Zugleich enthebt der Glaube an den Schöpfer, Bewahrer und Vollender des Lebens eben nicht aus der Verantwortung, Entscheidungen für eine Behandlung im Krankenhaus zu treffen. Sinnvoll erscheint mir, wenn ich mir bereits in unbeschwerten Tagen Gedanken mache, wie eine medizinische Versorgung im Bedarfsfall aussehen soll. In einer Patientenverfügung kann dies festhalten und hilfreich werden. Man kann dies außerdem jederzeit auch wieder ändern. Die eigene aktuelle Willensentscheidung bleibt stets bindend. Allerdings finde ich es sinnvoll, dass andere Menschen wissen – besonders jene, die mir nahestehen und dann eben auch Ärzte - welche Behandlung ich mir erhoffe und welchen womöglich intensivmedizinischen Maßnahmen ich zustimme, wenn ich selbst einmal dazu nicht mehr in der Lage sein werde.
Als Seelsorger erlebe ich, wie hilfreich eine Patientenverfügung ist, wenn Menschen auf das Sterben zugehen. Und zugleich weiß ich, dass es vielen Menschen schwerfällt, mit dem Gedanken der Grenze des Lebens umzugehen, sich ihm zu stellen und eigene Vorsorge zu treffen. Das Vertrauen, dass Gott auch jenseits der Grenze des Lebens da ist und Menschen mit Liebe umfängt, kann dazu ermutigen, die eigene Lebenszeit bis in die letzten Tage bewusst zu gestalten. Die Basisbibel übersetzt den hebräischen Vers von Psalm 31: „Ich aber vertraute auf dich, HERR. Du bist mein Gott! In deiner Hand liegt meine Zukunft.“ In allem was ich tue und entscheide kann ich mich auf das Vertrauen in Gott stützen, dass er über die eigene Lebensuhr hinaus für jeden Menschen da bleibt.

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