Foto: C. Schuler

„Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!“ (Lukas 6,36)
von Joachim Schmid

Ein Herz, pulsierend und stark. Christoph Schuler, ehemaliger Seelsorger an der Psychiatrie, hat dies als Motiv für die Jahreslosung 2021 gewählt. Mich spricht das Rot der Buchstaben an. Und die Kraft, die sich hier ausdrückt. Zugleich muss ich genau hinschauen, um mich auf die Spur der Barmherzigkeit zu begeben.

In vielen Gesprächen mit Patientinnen und Patienten geht es um die Frage nach Lebenskraft und um ihr Leiden im Krankenhaus. Oft begegnet mir die Sehnsucht, dass Krankheit und Einsamkeit gesehen und angenommen werden. Und dass da einer ist - vielleicht Gott -  der sich erbarmen möge. „Woran merken Sie, wenn Gott sich erbarmt?“ frage ich manchmal. Natürlich, dass Schmerzen aufhören, dass es eine positive Wendung in der Krankheit gibt, dass Therapien anschlagen, die nächste Operation endlich den gesundheitlichen Erfolg bringt - so wird meist geantwortet. Manchmal auch, dass es einfach aufhören und zu Ende gehen möge.

In der Psychiatrie erzählte mir eine Patientin, wie sie in der kognitiven Verhaltenstherapie eine Achtsamkeit gefunden hat, die ihr einen neuen Blick auf sich selbst und ihre Beziehungen eröffnete. Seither verstehe die Jahreslosung auch als Ermutigung, barmherzig mit mir selbst sein zu können: Auf mich selbst, mein Leben und Scheitern, auf meine Krisen und selbst auf Krankheit den Blick der Barmherzigkeit zu werfen „… wie auch euer Vater barmherzig ist“. Mit den eigenen Ansprüchen an mich selbst und mein Leben barmherzig umzugehen, ist und bleibt gerade in unseren virusgeplagten Tagen ein hohes Ziel.

Für Christoph Schuler verwirklicht sich Barmherzigkeit in der Liebe. Im Herz gewinnt sie Gestalt. Das zentrale Wort der Jahreslosung ist nur einmal zu lesen. In unserer menschlichen Barmherzigkeit findet Gottes Erbarmen ihren Ausdruck.

Ich wünsche Ihnen, dass Sie sich selbst mit dem barmherzigen Blick Gottes ansehen und annehmen können!

 

 

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Pfarrer
Joachim Schmid (evang.)