Q wie Quelle
von Wolfgang Krimmer
„Q“ stand auf der Wanderkarte, Q wie Quelle. Und je näher wir diesem Q kamen, desto größer wurde die Quelle in unserer Vorstellung, waren wir doch stundenlang in der Hitze unterwegs, damals auf dem „Berg Athos“, der Mönchs-Halbinsel in Nord-Griechenland.
Wir waren reichlich naiv: Wo sollte im September ein ersehnter Wasserfall oder zumindest eine sprudelnde Quelle herkommen, wo es seit Monaten nicht geregnet hatte?!
Als wir schließlich da angekommen waren, wo die Quelle zu erwarten war, ließen wir den Rucksack vom Rücken fallen, und da war … nichts. Enttäuschung und Erschöpfung innen, Hitze und Durst außen. Schweigend saßen wir auf dem felsigen Boden, verschwitzt und keuchend.
Nach einigen Minuten Stille hörten wir leises Plätschern von Wasser. Tatsächlich, hinter einem Felsvorsprung ein winziges Rinnsal: eben so viel (bzw. so wenig), dass man es nicht Tröpfeln nennen konnte, aber auch nicht Laufen. Anfangs eine Riesen-Enttäuschung: das soll eine Quelle sein?! Trotzdem: Wir stellten beide den Becher drunter und füllten ihn je zwei Mal mit dem tröpfelnden Etwas. Das dauerte über eine Viertelstunde!
Unmerklich veränderte sich unsere Stimmung: Wir wollten die großen Wasserflaschen innerhalb weniger Augenblicke füllen, eigentlich (wir waren spät dran).
Das Warten hatte eine klare Botschaft: Die Zwangspause ist erfrischender als das Wasser! Die Quelle hat uns ausgebremst und Kraft geschenkt. Die Quelle diktierte das Tempo, nicht unser Durst und unsere Gier. Niemals zuvor und niemals danach hab ich so klar zu spüren bekommen, was es heißt „Weniger ist mehr“.
Ich denke mir: vielleicht muss eine Quelle so sein. Dass ich ausgebremst werde. Dass ich den Rhythmus „Schnellschnell“ durchbrechen lasse. Dass nicht meine Erwartung in der Mitte steht, sondern dass der Blick frei wird für Leben wie es ist, eine Art anderes Gottesgeschenk, mitten auf dem Weg.
Diese Erfahrung wünsche ich Ihnen!
Schreiben Sie eine Email:
Pfarrer
Wolfgang Krimmer (evang.)