Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Archiv

„An den Anfang schreiben…“
von Kerstin Steegers 

„Irgendwie ist die Welt total aus dem Lot, und vor dem kommenden Jahr habe ich richtig Angst“, sagte mir kürzlich eine Pflegekraft und brachte damit auch mein Empfinden mit Blick in die Zukunft zum Ausdruck.

Ganz anders ein junger Mann, der im ungleich dunkleren Januar 1945 seit einem halben Jahr schon in Gestapo-Haft sitzt wegen seiner intellektuellen und moralischen Gegnerschaft zum Nazi-Regime als Mitglied des „Kreisauer Kreises“ um Helmuth James Graf von Moltke. Er heißt Alfred Delp, ist 37 Jahre alt, katholischer Priester und Jesuit und allein dadurch schon den Nazis zutiefst verhasst. Er ist klug, geradlinig, aufrecht und seinen Überzeugungen treu, ein Mensch von hoher moralischer Integrität, seinem Gewissen folgend aus seinem christlichen Glauben heraus. Die von ihm später erzählen, erinnern sich an seinen „Querkopf“, seinen Eigensinn und seine Beharrlichkeit, vor allem aber an seinen Humor und sein häufiges und herzliches Lachen.

Im Juli 1944 verhaftet, wartet er im Dezember 1944 und im Januar 1945 im Gefängnis Berlin-Tegel auf seinen „Prozess“ vor dem Volksgerichtshof und sieht ganz klar, was ihn erwartet: Am 11. Januar 1945 wird er vom berüchtigten Roland Freisler „wegen Hoch- und Landesverrats“ zum Tod „durch den Strang“ verurteilt und am 2. Februar 1945, am Fest „Mariae Lichtmess“, in Berlin-Plötzensee an einem Fleischerhaken gehenkt.

In den zwei Monaten vor seinem Tod schreibt Alfred Delp in seiner Zelle, in der er am Ende nur die Bibel und die Werke von Meister Eckehart behalten hat, mit gefesselten Händen (!) berührende Meditationen zu Advent und Weihnachten, zu Neujahr und Epiphanie, Glaubenszeugnisse, die mir Mut machen, im Glauben an die Menschwerdung Gottes trotz allem mit Zuversicht in das Neue Jahr zu gehen: „Lasst uns dem Leben trauen, weil wir es nicht allein zu leben haben, sondern Gott es mit uns lebt… - JESUS. Diesen Namen des Herrn will ich groß an den Anfang des neuen Jahres schreiben. Er besagt, was ich erbete, glaube und hoffe: die innere und äußere Erlösung. Ich will mich Jesus zugesellen als ein Treugeselle und Liebender. Letztlich aber soll der Name eine Leidenschaft bezeichnen: des Glaubens, der Hingabe, des Dienstes. Den Menschen helfend beistehen, ihnen gut sein und Gutes tun.“

Von Herzen wünsche ich Ihnen ein Neues Jahr 2024 unter dem Segen Gottes!

(Alfred Delp, Im Angesicht des Todes, Hrsg. Paul Bolkovac, Frankfurt am Main 1981, 11. Auflage)

 

 
 
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Pastoralreferentin
Kerstin Steegers (kath.)