Osterkerze von KonfirmandInnen gestaltet. Foto privat

Dunkelheit und Licht
von Friedemann Bresch

"Weißt du, hier in der Klinik brauchen wir jeden Tag die Osterkerze.“  Ich höre meine Kollegin noch diesen Satz sagen. Sie begründete damit, warum sie auch am Freitag zum Gottesdienst die Osterkerze aufstellte, die doch nach der klassischen Liturgie nur sonntags brennen sollte. Das hat mir sofort eingeleuchtet.  In der Klinik ist man jeden Tag mit Leiden und Tod konfrontiert. Also braucht man auch jeden Tag eine Hoffnung, die dem standhält.

Und doch gibt es Tage, an denen sich die Hoffnung versteckt. An denen sich Gott selbst versteckt. Wir müssen leben, als ob es keine Hoffnung und keinen Gott gäbe. Als sei dieses begrenzte und angefochtene Leben alles, was wir haben.

Die Fastenzeit erinnert uns daran, dass Jesus selbst und die Seinen solche Zeiten erlebten. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ So schreit Jesus am Kreuz. Da waren die Jünger alle schon geflohen und hatten ihre schönen Hoffnungen fahren lassen. Und auch Petrus hatte sich von Jesus distanziert und war in die tiefe Nacht hinausgegangen. Nur ein paar Frauen blieben beim Kreuz. Aber auch ihnen blieb nichts als der namenlose Schmerz, der ihnen das Herz zerriss. Eine Zeit der Gottesfinsternis war gekommen und sie schien nie mehr aufzuhören.

Manchmal werden uns solche Erfahrungen zugemutet. Da ist nur noch Dunkelheit und Schmerz. Die bestgemeinten Trostworte helfen nicht. Nur dieses Eine: Da ist jemand, der mich versteht. Der meinen Schmerz teilt. Einmal erzählte mir eine Patientin, sie habe vor vielen Jahren ihren Sohn durch Suizid verloren. Das hat ihr das Herz gebrochen. Nichts konnte und kann sie trösten. Bis heute nicht. Aber dann sagte sie: „Ich bin oft in die Kirche gegangen, zu Maria, die ihren toten Sohn im Schoß hält. Und dann habe ich zu ihr gesagt: ‚Mutter Maria, gib mir Kraft. Du weißt, wie das ist. Du kennst diesen Schmerz.‘ “ Das war das Einzige, was ihr half.

Im Unterschied zu Maria freilich leben wir nach Ostern. Wir haben gehört, wie die Geschichte weitergeht. Wir kennen die Erzählungen von der Auferstehung Jesu. Wie das Leben zurückkam. Wie der Schmerz in Freude verwandelt wurde. Wie sich die Zukunft öffnete wie ein weites, helles Land. Wir wissen, dass im Ostergottesdienst die neue Osterkerze aufgestellt und angezündet wird. Keine Dunkelheit dauert ewig. Am Ende kommt das Licht. Das mag uns helfen, die Zeit der Dunkelheit auszuhalten im Wissen: Alles hat seine Zeit. Und alles geht einmal zu Ende. Auch dieser Schmerz. Allein Gott bleibt.

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Pfarrer
Friedemann Bresch (evang.)